25. März 2010

Trübe Stimmung am Zuckerhut

226. Tag – 29.09.2006

Die Nacht war mal wieder ziemlich kurz. Um 6 Uhr mussten wir gemäß Andrea´s Vorgaben spätestens am Flughafen sein, was wir auch locker schafften. Am Schalter war noch nichts los und die Sicherheitskontrollen machten ihrem Namen keine Ehre. Das Personal wirkte ziemlich lustlos und winkte uns mehr oder weniger durch. Kurzes Frühstück und dann hieß es wie immer warten. Lothar schläft noch ne Runde. Zum Flugzeug mussten wir diesmal nicht laufen, sondern konnten den Bus nehmen. Der anschließende zweieinhalbstündige Flug war angenehm und ereignislos.

Am Flughafen in Rio de Janeiro mussten wir noch einige Dinge erledigen. Zuerst einen Flug von Rio nach São Paulo buchen. Dort startet nämlich unser Transatlantik-Flieger in 5 Tagen. Im Internet hatten wir uns vorab informiert und für die brasilianische Airline TAM entschieden. Nun hieß es nur noch den Ticketschalter zu finden und das war wirklich nicht so leicht. Den Trolley vollgepackt mit unseren zwei schweren Rucksäcken irrten wir durch die unterschiedlichen Hallen und Ebenen des Flughafens. Dreimal musste der Fahrstuhl gewechselt werden. Mein Gott, wer hat denn diesen Flughafen konstruiert?! Einen zeit- und preisgünstigen Flug nach São Paulo zu buchen war dagegen kein Problem. Den nächst gelegenen ATM-Automaten zu finden wiederum schon. Die Bedienung auch. Es ist schon schwierig, wenn man einen vierstelligen PIN für seine Kreditkarte besitzt und aufgefordert wird fünf Zahlen einzutippen. Clever, wie wir nun mal sind, haben´s wir trotzdem geschafft. Die Lösung verraten wir aber nicht, ätsch. Was machen übrigens die Leute bei denen es umgekehrt ist?

Nach einem kurzen Snack weiter zur Touristen-Info. Die Dame war sehr nett und buchte für uns ein Zimmer – erst mal nur für eine Nacht – im Hotel San Marco. Während der Taxifahrt konnten wir einen ersten Blick auf den Zuckerhut werfen. Das Hotel San Marco liegt im berühmten Stadtteil ‚Ipanema‘, nur wenige hundert Meter vom Strand entfernt. Leider waren die Räumlichkeiten mehr als bescheiden und vor allen viel teuer als im Lonely Planet angegeben. Wir beschlossen heute Ausschau nach einen besseren Hotel zu halten. Mittlerweile war es aber höchste Zeit fürs Mittagessen, was sich in Lothar´s zunehmender schlechten Lauen äußerte. Wir finden nichts Gescheites, noch nicht mal einen McDonalds. Mit zwei Tüten Chips vom Kiosk, jeder Menge Frust und schlechter Laune (jetzt auch bei Andrea) machten wir das einzig Vernünftige in dieser Situation: Ein Mittagsschläfchen.

Rio de Janeiro hat 11,4 Mio. Einwohner und war fast 200 Jahre lang Hauptstadt des Landes. Brasilien ist der flächen- und bevölkerungsmäßig (191 Mio.) fünfgrößte Staat der Erde. Die Einwohnerzahl stieg in den letzten Jahrzenten rasant. 28,2% der Bevölkerung ist unter 15 Jahren und das Durchschnittsalter beträgt 27,4 Jahre. Die Kriminalitätsrate Brasiliens ist erschreckend. Einer Statistik zu Folge wurden 2005 in Brasilien über 55.000 Menschen ermordet.

Das Wetter hatte sich unserer Laune angepasst: bewölkt mit immer wieder einsetzenden kleinen Schauern. Wir machten trotzdem einen kleinen Spaziergang und warfen einen kurzen Blick auf den schönen Strand von Ipanema. Wir entdeckten auch einen Supermarkt in der Nähe und oh Wunder, in diesem gab es eine Pizzeria. Die zwei bestellten Exemplare schmeckten wirklich gut. Wir beschlossen uns wieder zu vertragen. Das war der endgültige Beweis: Liebe geht durch den Magen.

Zum Tagesabschluss noch mal schnell ins Internet-Café. Dort erfahren wir vom Flugzeugabsturz über dem Amazonas und schicken gleich eine Mail an unsere Familien, dass es uns gut geht. Zusätzlich noch ne Mail an Andrea´s Bruder, was der Nachwuchs macht.


227. Tag – 30.09.2006

Nach dem Frühstück ging´s gleich wieder ins Internet. Und siehe da, die langersehnte Mail war im Postfach. Heute – zeitversetzt und ein paar Stunden früher – hat Hannah wohlbehalten das Licht der Welt erblickt. Andrea ist zum ersten Mal Tante geworden. Leider konnten die Fotos nicht runtergeladen werden, was Andrea fast zur Verzweiflung getrieben hätte. Wir probieren es später nochmal und suchen stattdessen ein neues Hotel. Das Ipanema Inn entsprach weitgehend unseren Vorstellungen und war sogar günstiger. Nachdem wir unsere Habseligkeiten wieder eingepackt und ein paar Straßen weiter ins neue Hotel gebracht hatten, machten wir einen zweiten Anlauf im Internet-Café. Zum Vorschein kam ein hübsches Baby.

Wir bummeln durch die Straßen. Im Gegensatz zu Buenos Aires beherrschen Zweckbauten hier das Straßenbild. Auf Architektur wurde anscheinend wenig Wert gelegt. Hochhäuser aus den 60ziger oder 70zigern, wie bspw. auch in Acapulco, stehen dichtgedrängt an und hinter der Strandpromenade. Wieder zurück im Hotel relaxen wir erstmal ein wenig. Die vergangenen Tage und Wochen waren ziemlich anstrengend gewesen. Wir brauchen dringend Urlaub. Im Fernsehen schauen wie uns den Film „Crime is King“ mit Kevin Costner und Kurt Russell an. Tat richtig gut, mal gar nichts zu machen. Andrea liest noch an ihrem Buch weiter und Lothar erkundet auf eigene Faust die Gegend.

Heute Abend wollten wir endlich mal richtig im Restaurant speisen. Lothar hatte eins bei seinem Spaziergang entdeckt. Es war jedoch ein Reinfall. Der anschließende Kuchen im benachbarten Café war auch keine kulinarische Offenbarung. Ob´s am Essen gelegen hat, jedenfalls fingen wir wieder an zu streiten. Diesmal brachte Andrea den Stein ins Rollen. Im Hotel ging der Streit weiter bis zur Versöhnung. Nomen ist Omen: Vor dem Schlafengehen schauten wir uns den Schwarzenegger-Film „Collateral Damage“ an.


228. Tag – 01.10.2006

Aktuelle Wetter- und Stimmungslage (trotz Versöhnung): durchwachsen. Für ein großes Sightseeing-Programm hatten wir keine Lust. Irgendwie ist Rio bei schlechtem Wetter nicht berauschend. Wir beschließen erst einmal an den Strand zu gehen. Der ist zwar sehr schön, aber bei dem Wetter fast ausgestorben. Niemand im Wasser, nur ein paar Leute spielen Volleyball und Strandfußball. Anschließend gingen wir zum Flohmarkt im Park Osório, eine Empfehlung aus dem Lonely Planet. Hauptsächlich handgearbeitete Dinge werden dort angeboten, teilweise sogar sehr schöne und originelle. Wenn man im Stadtteil Ipanema seine Bleibe hat, ist der Flohmarkt bestimmt einen Besuch wert. Das Beste am Flohmarkt war aber der „Pele-Imitator“. Der Ballkünstler, der bestimmt schon die 50 überschritten hatte, faszinierte (insbesondere Lothar) durch seine Fähigkeiten am Ball. Den Ball mit dem Kopf jonglierend ging er zwischen den Ständen durch. Nicht schlecht, er machte seinem Vorbild alle Ehre.

Den Nachmittag und Abend verbringen wir mit unserer Lieblingsbeschäftigung in Rio. Na, was wohl? Richtig: Streiten und beleidigt sein. Mittlerweile haben wir es hierbei zu beeindruckenden Fähigkeiten gebracht. Ein (falsches) Wort und es geht wieder von vorne los. Uns kommt es so vor, als ob sich in Rio die streitlose und die streitbare Zeit die Waage halten.


229. Tag – 02.10.2006

Wir haben mal wieder die goldene Streitregel nicht beachtet und uns nicht vor dem Zubettgehen versöhnt. Die Folgen waren entsprechend. Lothar geht allein frühstücken. Zurück geht der Streit erst richtig los. Nichtigkeiten, aber die Nerven liegen blank. 229 Tagen sind wir jetzt unterwegs, d. h. 229 Tage immer zusammen, keine Privatsphäre. Zuhause ist es leicht, einen „schlechten Tag“ zu überbrücken. Man geht einfach seine eigenen Wege. Das ist bei einer solchen Reise einfach nicht möglich. Eine solche Reise ist wahrscheinlich die härteste Prüfung für eine Beziehung überhaupt. Unsere Weltreise steht vor dem Abbruch, wir diskutieren schon, ob wir den Flug nach Südafrika verfallen lassen wollen oder von dort nach Deutschland zurückfliegen sollen. Wir vereinbaren eine Diskussions-/Streit-Pause. Lothar geht ne Runde spazieren.

Frische Luft und zwei Stunden Bedenkzeit taten uns beiden sehr gut. Jetzt endlich konnten wir wieder sachlich miteinander reden. Über was für einen Blödsinn haben wir uns überhaupt gestritten?! Späte, aber Gott sei Dank noch rechtzeitige Erkenntnis. Ab ca. 12 Uhr haben wir uns wieder ganz doll lieb und uns auch nicht mehr gestritten. Zumindest nicht mehr in Rio, soviel sei verraten.

Was machen zwei frisch Verliebte? Falsch, sie gehen Wäsche waschen. Den ganzen Nachmittag regnete es. Wir gehen ins Internet-Café und buchen u. a. das Backpacker in Kapstadt. Was macht man sonst noch an verregneten Nachmittagen in Rio de Janeiro? Richtig und außerdem Postkarten für die Daheimgebliebenen schreiben. Der abendliche Restaurantbesuch war ausnahmsweise mal kein Reinfall. Bei Steaks mit Pommes und Spaghetti kann man ja auch nicht so viel falsch machen.


230. Tag – 03.10.2006

Jetzt aber! Genug gestritten und rumgetrödelt! Heute steht Sightseeing auf dem Programm. Morgen schon geht unser Flieger nach Afrika. Unser erstes Ziel ist der Berg Corcovado. Der Name sagt wahrscheinlich den wenigsten etwas. Eher schon die auf der Bergspitze stehende Christus-Statue ‚Cristo Redentor‘ (dt. Christus der Erlöser). Mit dem Bus fuhren wir zunächst bis zur Talstation der Corcovado-Bergbahn. Die abenteuerliche Busfahrt dauerte eine Stunde. Unzählige Male hielt der Bus und fuhr dann immer forsch an. Hinzu kamen noch Dutzende Kurven. Wir waren froh, als wir wieder draußen waren. Einziges Highlight der Busfahrt war ein Holländer mit dem T-Shirt „Remenber `74“. Lothar konnte es sich nicht verkneifen und bemerkte beim Aussteigen mit einem Lächeln auf den Lippen: „Yes, I do“.

Die Fahrt mit der über 120 Jahre alten Zahnradbahn dauert ca. 25 Minuten. An der steilsten Stelle beträgt die Steigerung immerhin 30%. Durch dichten Regenwald fährt die Bahn bis kurz unter dem Gipfel auf 680 Meter Höhe. Rechts und Links der Strecke stehen zum Teil recht merkwürdige Statuen. Die Bahnen selbst kommen übrigens aus der Schweiz. Während der Fahrt lernen wir Christina kennen, eine Deutsche die im Künstlerviertel San Telmo wohnt.

Nach weiteren 30 Höhenmetern Fußmarsch hatten wir das Christus-Denkmal erreicht. Mit ausgebreiten Armen schaut die Christus-Statue auf die Guanabara-Bucht, an der Rio de Janeiro liegt. Die Statue ist 30 m hoch und steht auf einem 8 Meter hohen Sockel. Die Sichtverhältnisse waren heute nicht optimal, es war ziemlich diesig. Man hatte aber trotzdem einen beeindruckenden Ausblick auf die Stadt mit seinem Häusermeer, die Bucht und die Berge ringsherum. Ein anderes Wahrzeichen Rios, den 394 Meter hohen Zuckerhut, konnte man auch gut erkennen. Das Maracanã-Stadion, das für die Fußball-Weltmeisterschaft 1950 gebaut wurde und damals 200.000 Zuschauern fasste, war gerade noch auszumachen. Wir hatten uns informiert, leider fand in den Tagen unseres Aufenthaltes kein Spiel dort statt. Der Fußballgott meinte es nicht gut mit Lothar. Erst war er in Buenos Aires krank und jetzt in Rio findet kein Spiel statt.
Es herrschte Hochbetrieb hier oben. Die Treppe vor dem Denkmal war minutenlang von einer mexikanischen Reisegruppe blockiert, die dann auch noch „La Cucaracha“ (span. die Küchenschabe) voller Inbrunst sagen. Mexikaner reisen relativ viel, sie sind die Japaner Südamerikas. Wir fanden aber auch noch Zeit und Platz für ein schönes Erinnerungsfoto. Nach ca. einer Stunde machten wir uns wieder auf zur Zahnradbahn.

Die Fahrt war diesmal musikalisch untermalt. Ein Trio stieg ein und heizte mit heißen Samba-Rhythmen kräftig ein. Fehlte nur noch eine brasilianische Tänzerin. Aber man(n) kann ja nicht alles haben. Von der Talstation ging es mit dem Bus – diesmal gesittet und auch nicht so lange – zum wohl berühmtesten Strand Rios, der Copacabana. Eigentlich ist „Copacabana“ der Name des Stadtteils in Rio den Janeiro, genauso wie Ipanema, aber die meisten Touristen bringen es nur mit dem dazugehörigen Strand in Verbindung. Der Strand ist auch wirklich beeindruckend mit seiner 4 km Länge. Hier war etwas mehr los, als bei unserem „Hausstrand“. Jedoch keine Spur von Tanga-tragenden, kaffeebrauen Schönheiten, die hier en masse rumlaufen sollen. Die einzigen Frauen, die wir sahen, gehören wohl der hiesigen Weight-Watchers-Organisation an.

Wir essen noch gemeinsam mit Christina in einem kleinen Restaurant am Strand und fahren dann wieder zurück ins Hotel. Andrea packt das Päckchen für Deutschland, während Lothar versucht eine Back Up-DVD mit unseren Fotos zu brennen. Klappte nicht, das Internet-Café hatte keine Brennsoftware. Wir bringen das Päckchen ohne DVD zur Post (das sechste während unserer Weltreise) und gehen anschließend nochmal einkaufen in unserem Stamm-Supermarkt. Dort probieren wir eine Schokoladen-Bananen-Pizza. Selbst für Schoko-Junkie Lothar war das zu viel. Nach ein paar Bissen ließen wir es wieder zurückgehen und bestellten was Neues.

Für den Abend hatten wir Karten für die Plataforma Samba Show über das Hotel organisiert. Die Show ist wohl die beste und größte der Stadt. Als wir um 21:30 Uhr eintrafen, waren wir unter den Ersten. Der Saal füllte sich aber rasch. Wir ließen es uns gutgehen und spülten den Frust der letzten Tage mit ein paar Caipirinhas runter. Vor der eigentlichen Show zeigte ein junges Mädchen, dass nicht nur die Brasilianer mit dem Ball perfekt umgehen können sondern auch die Brasilianerinnen. Bis zu hundert Mal konnte die junge Dame den Ball hochhalten. Nicht schlecht. Doch dann begann die Show, die unter dem Motto „500 Jahre Brasilien“ stand. Es gab ungefähr 10 verschiedene Show-Teile. Teilweise mit imposanten riesigen Kostümen, teilweise auch recht spärlich bekleidet. Die Damen im Publikum kamen auch nicht zu kurz. Eine männliche Tanzgruppe bot Akrobatik und zeigte auch Capoeira, den brasilianischen Kampftanz. Der Karaoke-Showteil faszinierte besonders unsere asiatischen Freunde im Saal. Was das mit Brasilien zu tun hat, wissen wir zwar nicht, aber es war unheimlich lustig. Zum großen Finale wurde dann nochmal schwer aufgefahren und alles was die Garderobe hergab hervorgeholt. Insgesamt eine sehr abwechslungsreiche und unterhaltsame Show. Wir waren begeistert und freuten uns, dass unser Rio-Trip ein schönes Happy End fand.










231. Tag – 04.10.2006


Vor dem Frühstück gingen wir nochmal zum Strand. Um 9 Uhr ging es dann zum Flughafen, zwei Stunden später waren in der Lüften in Richtung São Paulo. Das Flugzeug flog noch einen Bogen um Rio de Janeiro und wir konnten einen letzten Blick auf unsere Schicksalsstadt werfen. Nach rund einer Stunde landeten wir in São Paulo, der mit 11 Mio. Einwohnern größten Stadt des Landes. In der Metropolregion leben sogar rund 20 Mio. Menschen. Wahnsinn. Von oben sahen wir das endlose Häusermeer der Stadt.

Nach dem wir unser Gepäck in Empfang genommen hatten mussten wir noch den richtigen Schalter der SAA für unseren Flug nach Südafrika finden. Das war mal wieder nicht so leicht. Kurzzeitig trat bei uns Verwirrung auf, da zwei Flüge nach Johannesburg auf der Anzeigetafel auftauchten und auch noch in zwei unterschiedlichen Terminals. Für den einen wären wir zu spät dran gewesen. Aber Gott sei Dank war das nicht unser Flieger und wir stellten uns in die 50 m lange Schlange vor dem richtigen Check-In-Schalter an.

Das Flugzeug der SAA war im Vergleich zum Qantas-Flug nach Singapur geradezu geräumig. Über den Service und das Essen konnte man auch nicht mäkeln. Bordfernsehen gab es natürlich auch, so dass einem nicht langweilig wurde. Der Flug dauerte insgesamt 8,5 Stunden. Wir flogen in die Nacht und träumten von den zukünftigen Abenteuern in Afrika.

Noch mehr Fotos gibt´s in unserem Webalbum.